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Historisches zur St. Sebastianus Bruderschaft Glehn
Gefunden im Liedberger Buch, 1930, von Dr. Jakob Bremer

Die Sebastianusbruderschaft

Hatte die Marienbruderschaft lediglich religiöse Bedeutung, so verband die Sebastianusbruderschaft damit zugleich einen militärischen Zweck. Während ursprünglich jeder freie Germane heerbannpflichtig war, drängten später die Ritter das Volksheer zurück. Doch hat man nie ganz darauf verzichtet. Namentlich das aufkommende Landesfürstentum pflegte die Landmiliz. In Kriegszeiten wurden die Schützen aufgeboten zur Bewachung der Landwehren, der Hamaien, der Burgen, zur Ergreifug umherstreifender Söldner, in Friedenszeiten als eine Art Landespolizei auf den großen Märkten, zur Zwangsvollstreckung jeder Art, zur Bewachung von Feld und Flur und zur Ergreifung von Diebes- und Räuberbanden. Der Amtmann befehligte die Schützen, die Gemeinde zahlte Entschädigung.

Mochte nun auch der militärische Wert dieser Miliz nicht groß sein, eine Ausbildung irgendwelcher Art mußte doch vorausgehen. Diese übernahmen die Schützengesellschaften, die sich meist unter dem Schutze des heiligen Sebastianus, der als Befehlshaber der kaiserlichen Leibwache am 20. Januar 288 den Martertod erlitt, als kirchliche Sebastianusbruderschaften auftaten. Dazu kam dann als Drittes Pflege der Geselligkeit.

Während einige Bruderschaften ihren Ursprung bis ins 14. und gar 13. Jahrhundert zurückführen können, tauchten in unserer Gegend allgemein gleich nach 1400 die Zeugen einer Wehrorganisation auf. In Neuß traten die Schützengesellen im Jahre 1415 zur Gründung der Sebastianusbruderschaft zusammen. Aller Wahrscheinlichkeit nach geschah dies aber im ganzen Dekanate. Der Silbervogel der Sebastianusbruderschaft in Giesenkirchen trägt die Jahreszahl 1422. Der um diese Zeit in dem Dingstuhl Unterbroich aufkommende Flur-, spätere Ortsname Schiefbahn (= Scheibenbahn) zeigt, daß auch dort eine eifrige Schützentätigkeit herrschte. In Kaarst stifteten am 20. Januar 1452, auf Sebastianustag, Dithmarus und Lambert von Lovenbergh, die zwei Provisoren und sämtliche Sebastianusbrüder (im ganzen waren 26 anwesend) in der Kirche 42 M. Land aus dem Vermögen der Bruderschaft (sie bestand also schon recht lange) zu einem ewigen Priesterdienst zu Ehren des heiligen Sebastianus. 1495 ist die Bruderschaft, zu der von Anfang an Brüder und Schwestern gehörten, ebenfalls noch in voller Blüte. In Büttgen wird die Bruderschaft im ältesten vorhandenen Register von 1535 als längst bestehend aufgeführt. Das früheste Königssilber datiert von 1631. Auch in Glehn darf man ihren Ursprung mit Recht gleich nach 1400 ansetzen. 1444 ist der Sebastianusaltar bereits vorhanden. Am 29. September 1451 vermachte Mechtilde Wolf u. a. der Sebastianusbruderschaft in Glehn zu einem Jahrgedächtnis 3 M. Land bei Epsendorf an dem sog. Jonkelsveld zwischen den Äckern von Gerhard Scharantz und der Klarissen in Neuß. Das älteste erhaltene Register vom Jahre 1489 enthält an Einkünften 30 Ml. Korn (1641 noch 18 Ml.). Der Landbesitz betrug 1663 23 1/2 M. 18 R. 22 F. Der Altar der Bruderschaft war mit einer Vikarie verbunden, zu dem die Brüder den Geistlichen selbst ernannten. In Kriegszeiten gingen die Bruderschaften vielfach zugrunde. Doch drangen die Behörden immer wieder auf Erneuerung derselben. So wurde die Bruderschaft in Giesenkirchen und in Büttgen (1641 bestand sie nicht mehr) nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder zum Leben erweckt. In Glehn wurde sie 1617 wieder hergestellt. Am 19. Juni 1719 erhielten ihre alten Statuten vom Kölner Kurfürsten Josef Klemens auf Antrag des Vorstehers und des Brudermeisters die landesherrliche Genehmigung.

Das Hauptfest, das Bruderschaftsbegängnis, war am Sebastianustag. An diesem versammelten sich alle Brüder um 9 Uhr zum Hochamt. Nach der Predigt wurden die Namen der verstorbenen Brüder und Wohltäter verlesen und für sie gebetet. Während der Präfation hielten die Brüder Opfergang um den Altar. Nach dem Amte wurde das Libera gesungen und das Weihwasser ausgeteilt. An dessen Stelle trat später am Nachmittage eine Segensandacht und am folgenden Tage ein Seelenamt für die verstorbenen Brüder. Bei der Bruderschaft waren auch Jahrgedächtnisse gestiftet, 1520 drei. Den kirchlichen Dienst am Sebastianusaltar besorgten von jeher im Auftrage der Brüder ein Pater von St. Nikolaus. Peter von der Weiden (+ 1554) schrieb: "Der Vorsteher der Sebastianusbruderschaft in Schlich ist auf Grund eines uralten Vertrages verpflichtet, dem Pater von St. Nikolaus auf Remigius 20 Ml. Korn zu geben." Ferner mußte auch der Vorsteher der Kirchenfabrik wegen des Sebastianusaltares 10 Ml. Geben. Den überschießenden Teil der Einkünfte verwandte die Bruderschaft in selbstlosester Weise für die Armen und zu kirchlichen Zwecken. Nach der Zusammenlegung der Marien- und Sebastianusvikarie (1652) erhielt sie aus den Einkünften jährlich 2 Ml. Korn zurück, eines für den Schützenkönig, das zweite für ein ehrenvolles Begräbnis der Brüder. Als nun durch die französische Gesetzgebung das Vikarievermögen der Pfarre überlassen wurde, stellte die Kirchenkasse von 1826 – 1831 die Zahlung der 2 Ml. wie auch der seit alters üblichen Rente von 10 Rt. 55 Stb. ein, weil die Bruderschaft nach dem französischen Rechte keine öffentliche Anerkennung gefunden habe. Doch setzten nachdrückliche Forderungen es schließlich durch, daß fernerhin die beiden Ml. Korn und die Spende wieder gezahlt wurden.

Eine besondere Ehre sah die Bruderschaft seit je in der Begleitung des Allerheiligsten. Die Brüder zogen dann in Wehr und Waffen, d. i. bis 1600 in Helm, Harnisch und Bogen, später mit Gewehr, dem eucharistischen Heiland voran. In ihrer Mitte trugen sie das Bild ihres Schutzpatrons (schon 1488 erwähnt). Ihnen voran zog die Fahne. Hinter der Fahne ging der Bruderkönig in seinem herrlichen Silberschmuck. Auch dies ist schon für das Jahr 1666 und früher bezeugt. Als Anerkennung für die Dienste bei der Gottestracht erhielten die Brüder einen Trunk auf Kosten der Kirche. 1628 bestand er in 1 1/2 Ahm, 1645 in 22 Quart. Später betrug die Spende 2 Ahm für die Brüder aus Glehn, und 1 Ahm für die aus Liedberg. Diese Spende wurde zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf 8 Rt. 55 Stb., seit 1855 auf 6 Ta. 28 Sgr. festgesetzt. Ursprünglich nahmen die Brüder auch an dem großen Kirchenessen teil, das nach den Sakramentsprozessionen auf allgemeine Kosten bei einem Glehner Wirt stattfand. Als aber die Zahl zu groß wurde, vertraten der König, der Fähnrich, der Hauptmann und der Brudermeister die Gesamtheit. An den gewöhnlichen Prozessionen nahmen die Brüder in einem bescheidenen Aufzuge teil, nur das Sebastianusbild in ihrer Mitte. Um das Jahr 1500 hatten die Bruderschaften der verschiedenen Orte unter sich eine lebhafte Verbindung. So treffen wir die Glehner verschiedentlich bei den Veranstaltungen und Festen in Neuß und Gladbach.

Auch durch ihre Organisation war die Sebastianusbruderschaft stets aufs engste mit der Kirche verbunden. Ursprünglich standen zwei Brudermeister an der Spitze, von denen einer der regierende war. Dieses Amt haben vor 1600 meist die Herren von Schlickum bekleidet. Als nun 1652 die Zusammenlegung des Marien- und Sebastianusaltares stattfand, wurde der Inhaber beider Vikarien jedesmal eidlich verpflichtet, das Vorsteheramt zu übernehmen. Von jetzt an wählte man am Sebastianustage nur mehr einen Brudermeister aus der Reihe der Brüder. Der Präses setzte vier Brüder in die engere Wahl. Die anwesenden Mitglieder gaben nun beim Umgang um den Altar ihre Stimmen ab, die Mehrheit entschied. Der Gewählte wurde hierauf vom Präses, dem Pastor und den beiden ältesten Brüdern als Brudermeister vorgestellt und vereidigt. Die Eidesformel lautete: "Ich schwöre, der Kirche und den Brüdern stets treu zu sein und nichts Hinterlistiges gegen die gemeinen Brüder vorzunehmen." Dann legte der Brudermeister seine Hand auf den Anfang des Evangeliums des heiligen Johannes mit den Worten: „Alles dieses beschwöre ich vor Gott dem Allmächtigen, den anwesenden Priestern und Brüdern zu tun und zu halten, so wahr mir Gott helfe und dein heiliges Evangelium."

Dem Brudermeister standen vier Beisitzer zur Seite, und zwar zwei von Glehn und zwei von Liedberg. Der Brudermeister leitete die Bruderschaft, nahm Mitglieder auf, schloß aus ihr aus, verwaltete im Verein mit dem Kirchenrendanten das Vereinsvermögen und legte jährlich vor dem Sebastianustag vor dem Präses und den Beisitzern Rechenschaft ab. Beim Begräbnis eines Mitgliedes hatte er mit den Freunden Anrecht auf die Trauermahlzeit. Als Brudermeister werden genannt:

1519 Daem im Oven (Steinhausen)
1528 Gödert Rammetz, Robert Höveler
1540 Gerhard Reipen, Heinrich Klaudt
1562 Johann Daem, Gördt zu Raedt
1565 Gerhard Faßbender (Drölzholz)
1595, 1611 Dederich von Büren
1660 Gördt Weitz
1662 Heinrich Tappen, Heinrich Koch
Bis 1674 Peter Meurers
1700 (+ 25. Oktober) Bartholomäus Buschen
1778 (+ 20. Januar) Michael Drath
1780 Heinrich Rath
1807 – 1818 Johann Bonn
1828 Johann Wolf
1832 – 1857 Philipp Becker. Er feierte bei seinem Abschied sein silbernes Jubiläum, wobei ihn die Bruderschaft u. a. mit einem Fackelzug ehrte.
1857 - (+) 1865 Ackerer Wilhelm Josef Gruben
1865 – 1896 Ackerer Michael Baumeister
1896 – 1910 Franz Anton Esser
Seit 1910 Sattlermeister Josef Mostert.

 

Mitglieder der Bruderschaft konnten seit 1650 nur werden und bleiben die Angehörigen der Pfarre Glehn, die einen guten Ruf besaßen. Auf ehrenvolle Namen wurde der größte Wert gelegt. Die Aufnahme konnte schon im Kindesalter erfolgen, der Genuß der Rechte trat aber erst ein, wenn jemand seine Bruderpflichten erfüllen konnte. 1855 wurde das Eintrittsalter auf 18 Jahre festgesetzt. Wen der Brudermeister aufnehmen wollte, den stellte er auf St. Sebastianustag oder unter der Rute dem Präses und den vier Beisitzern vor. Seit 1719 mußte der Eintretende 60 A. zum Schild und Kleinod und 1 Ro. an die Brüder zahlen. Jeder Bruder mußte beim Gottesdienst auf St. Sebastianus und unter der Rute zugegen sein. Wer fehlte, zahlte 1 P. Wachs als Strafe, das zu Ehren des Schutzheiligen verbrannt wurde. Bei der Gottestracht war jeder zu persönlicher Teilnahme verpflichtet, und niemand durfte sich durch kleine Jungen vertreten lassen.

Das Recht der Brüder bestand in der Teilnahme am Vogelschuß, im Genuß des Frei- oder Bruderbieres, dann in einem ehrenvollen Begräbnis. Alle begleiteten mit der Fahne den verstorbenen Mitbruder zum Grabe. Beim Traueramte gingen sie um den Hochaltar und opferten. Dafür zog der Priester mit dem Kreuz auf das Grab und betete das Miserere und De profundis. Um 1700 wurde beschlossen, zu allen vier Jahreszeiten eine Sing- und Lesemesse für die Verstorbenen halten zu lassen, wozu jeder jährlich 8 Pf. beisteuerte. Wer von diesem Beitrag frei sein wollte, zahlte doppeltes Eintrittsgeld oder stiftete seit 1800 ein silbernes Schild und hieß Freibruder. Seit 1857 ließ die Bruderschaft für die ärmeren Brüder ein Amt halten.

Im Jahre 1856 regte der damalige Präses, Vikar Schiefgen, die Einrichtung einer Krankenlade an. Wegen der schweren Zeit sollte die Kasse aber nur durch freiwillige Beiträge gespeist werden. Man wollte ferner von den neu Eintretenden 10 Sgr. erheben, außerdem die 12 Ta. für Freibier der Kasse zuführen; doch ging letzteres nicht durch. Weiter sollte auf Sebastianustag, dann noch zweimal im Jahre, im Frühjahr und Herbst, eine Sammlung bei den Brüdern stattfinden. 1857 brachte die Kollekte auf Sebastianus 8 Ta. 13 Sgr. 6 Pf., im Mai 13 Ta. 4 Sgr. 4 Pf., im Oktober 12 Ta. 5 Sgr. 1 Pf. Am 20. Januar 1857 wurde die Krankenkasse feierlich errichtet. Der damalige Schützenkönig Müller aus Steinhausen schenkte hierbei 9 Ta. 27 Sgr. 8 Pf. Bis 1858 waren 208 Ta. zusammen. Die Einnahmen wuchsen ständig. 1861 vermachte Sebastian Schmitz aus Rubbelrath 100 Ta., deren Zinsen ebenfalls der Kasse zuflossen. 1858 wurden an Unterstützungen gezahlt 3 Ta. 4 Sgr. 8 Pf., 1859 9 Ta. 25 Sgr., 1863 an zehn Kranke 26 Ta. 10 Sgr. Die wohltätige Einrichtung zog sogar das Interesse der Staatsbehörde auf sich. Es bleibt jedenfalls ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Sebastianusbruderschaft, daß sie unter den ersten den Gedanken der sozialen Fürsorge gepflegt hat, zu einer Zeit, wo sonst noch wenig Verständnis für die Gemeinschaft herrschte.

Der ursprüngliche Zweck der Sebastianusbruderschaft, Übung in den Waffen, fand seinen Höhepunkt in dem Vogelschuß. Daneben gab es noch Übungsschießen auf die Scheibe. Schon 1534 führt das Ausgabebuch 1 A. für eine "royd zu den voigel" an. In allen Jahrhunderten kehrt der Vogelschuß wieder, der Pfingstmontag vor sich ging. Die Kriege verursachten immer nur eine kurze Unterbrechung. Als im Dreißigjährigen Kriege 1642 – 1645 Glehn von den Hessen drangsaliert worden war, fand doch 1646 wieder der Vogelschuß statt. Nachdem 1794 die Franzosen das Land besetzt hatten, nahm schon 1796 die Schützentätigkeit wieder ihren alten Lauf bis 1813. Nur in der Blütezeit des Polizeistaates (1825) und während der Besetzung 1919 ff. untersagte man den Brüdern den Gebrauch der Waffen. Um 1500 schoß man in Glehn noch mit der Armbrust. Peter zu Pillern (von Steinforth) zahlte 1503 für eine solche an die Bruderschaft 1 G. .Wann die Feuerbüchse aufkam ist nicht festzustellen. 1698 wird zuerst erwähnt, daß die Brüder mit dem Gewehr der Prozession beigewohnt haben. Es war der Bruderschaft nicht immer leicht, sich eine Vogelstange zu verschaffen. 1780 bat sie durch ihren Deputierten Heinrich Rath die Reichsgräfin von Salm-Dyck um einen Baum für eine Vogelstange, da sie selbst dazu kein Geld habe. 1811 wurde eine neue Schießrute im Dorfe Glehn am Flimmers errichtet. Weil sie aber hier den Häusern zu nahe stand, bot 1836 der Eigentümer des Schanzerhofes, Wilhelm Hüsgen, der Bruderschaft an, die Rute auf sein Eigentum, den "trenken" Baumgarten am Spitzenhäuschen, zu setzen. Den ersten Schuß gab der Präses ab, den zweiten der Bruderkönig des letzten Jahres, den dritten der Brudermeister, nach den vier Beisitzern kamen die Brüder an die Reihe. Jeder mußte Schußgeld bezahlen. Wer den Vogel abschoß, wurde Bruderkönig, wer den Kopf herunterholte, erhielt eine besondere Prämie.

Bruderkönig zu werden, war stets höchste Auszeichnung. Ihn schmückte das Königssilber. Er erhielt eine besondere Zuwendung, und zwar bis 1651 16 1/2 Rt., seit 1652 1 Ml. Korn aus dem Vikariefonds, ferner seit 1746 die Zinsen von 50 Ta. aus der Stiftung Klaudt, von seiten der Zivilgemeinde Freiheit von Hand- und Spanndiensten für ein Jahr, die aber auf die Dienste für 24 und später für 9 Kölner M. und 1854 auf vier Spann- und vier Handdienste beschränkt wurde. Seit 1865 trat eine Geldspende an ihre Stelle, zunächst von 4 Ta., dann 27 Mk. und seit 1910 von 15 Mk. In Liedberg war der Bruderkönig für 9 Kölner M. dienstfrei; statt dessen erhielt er seit 1840 4 Ta. preußisch und seit 1851 1 Ta. preußisch aus der Kommunalkasse. Diese Rechte waren auch übertragbar, seit 1843 durften sie aber nur in die Hände des Brudermeisters zurückgegeben werden.

Der Bruderkönig bestimmte, ob ein öffentlicher Aufzug, ein Schützenzug, stattfand. Es war gleichsam die Huldigung vor der neuen Majestät, die Besitzergreifung seiner Gewalt. Ehemals verband sich damit ein Festmahl der Brüder, Konreid genannt. Schon 1521 heißt es in den Akten: "als der koenyck sy konreyt hielt". Der Königsaufzug fiel auf den Sonntag nach Fronleichnam. 14 Tage vorher war Beratung darüber. Ein Ausschuß von 13 Mitgliedern übernahm die Vorbereitung. Die Teilnehmer am Zuge wählten sich selbst den sog. Chef, den Major und den Hauptmann. Diese ernannten dann ihre Adjutanten. Beim Aufzug der Schützen ritt der Chef mit seinem Adjutanten voran, dann folgte die Musik, hierauf die Schützen, zuletzt der Festausschuß mit dem König in der Mitte. Es war früher Sitte, Hauptmannsstab und Bruderschaftsfahne an den Meistbietenden zu versteigern. Das so beliebte Fahnenschwenken, zu dem eine große Kunstfertigkeit gehörte, war nur mit der alten Fahne gestattet. Seit vielen Jahren beschränkt sich die Bruderschaft auf die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession, während eine besondere Schützengesellschaft, die 1911 ihr silbernes Jubiläum feierte, auf Kirmes "Zug macht".

Auf ein prunkvolles öffentliches Auftreten legte die Bruderschaft immer großes Gewicht. Dazu gehörte vor allem eine Fahne. Schon 1666 besaßen die Brüder eine "hervorragende seidene Fahne mit kriegerischen Abzeichen", die aber wohl viel weiter zurückreicht. 1698 finden wir wiederum eine Sebastianusfahne erwähnt. 1756 wurde eine Trauerfahne angeschafft. Jeder Bruder steuerte 3 Stb. bei. Freiherr von Lohausen auf Fleckenhaus lieferte den schwarzen Seidendamast. Graf Salm-Dyck spendete einen Dukat in Gold dazu. 1819 erhielt die Bruderschaft eine neue Vereinsfahne, 1834 eine Kreuzfahne und 1914 wiederum eine neue, herrliche Vereinsfahne, die von den Schwestern am Kreitz angefertigt war.

Unter den Kleinodien war stets das Königssilber das kostbarste. 1666 werden gelegentlich unter den Kostbarkeiten der Kirche die silbernen Schmuckstücke des Bruderkönigs aufgezählt. Bei einem Einbruch in die Sakristei (16. / 17. Oktober 1699) ging alles verloren. Das Taufbuch zählt unter den gestohlenen Schätzen auf "den silbernen Vogel mit unzählbaren vielen und schönen Schildern der Sebastianusbrüder". Mit Eifer sammelte man seitdem ein neues Königssilber. Bis 1757 waren 45 Schilder im Gewichte von 2 P. 22 Lot geschenkt. Hiervon sind 11 verlorengegangen. 1831 waren 42 Schilder vorhanden; davon wurden vier zum Vorbeterstab verwandt. Manche "verehrten" ein Schild bei ihrem Eintritt oder wenn sie Bruderkönig wurden. Das älteste Schild trägt in lateinischen Buchstaben die Aufschrift: "Ich Johannes Püllen gebe dees Schelt an den Neunen Vogel zu Geleen 1699." Noch drei andere Schilder tragen den Namen Püllen. Nur drei ganz einfache Schilder mit bloßem Namen des Spenders sind vorhanden, die übrigen sind mit kunstsinnigen Verzierungen versehen. Besonders groß und schön ist das Schild mit der Aufschrift: Ludwicus Joannes Wilhelmus de Calcum et Lohausen 15. V. 1746 und dem Wappen des Stifters auf der andern Seite. Ebenfalls zeichnet sich aus das Schild des Franz Arnold Freiherr von Frentz in Schlenderhan mit seinem Namen und Wappen. Andere Schilder zeigen das Bild des heiligen Sebastianus mit dem Namen des Gebers oder seines Namespatrons, wieder andere haben die Abzeichen ihres Berufes darstellen lassen, so Johannes Scheulen 1792 Musikinstrumente, Johannes Mösges 1706 Metzgergeräte, Wilhelm Mösges 1728 Schreinerabzeichen. Bemerkenswert ist noch das Schild mit der Aufschrift: Wilhelm Kames, König im zweiten Jahr, daß die Franzosen dies Land im Besitz haben zu Glehn 1796. Zu diesem Königssilber kam als weiteres Kleinod 1814 der Hauptmannsstab mit silberner Spitze und Kugel und 1856 der Vorbeter- oder Brudermeisterstab. Aus vier silbernen Schildern und einigen Münzen, im ganzen 8 3/4 Lot Silber, wurden die silbervergoldeten Figuren des heiligen Sebastianus und Pankratius hergestellt und auf der Spitze des Stabes angebracht. Das Silber der Sebastianusbruderschaft befand sich früher stets im Gewahrsam der Kirche. In den Kriegswirren 1785 – 1792 wurde es verborgen. Seither ist es nicht mehr an die Kirche zurückgekommen, sondern in der Hand des zeitigen Brudermeisters geblieben. Doch hat sich der Kirchenvorstand das Recht behalten, es jederzeit zurückzufordern und über den Verbleib Rechenschaft zu verlangen. Das Übergabeprotokoll vom 3. Juni 1806 zählt auf den silbernen Vogel und 39 Schilder mit einer silbernen Kette, insgesamt 3 P. weniger 2 Lot Silber. 1848 mußte das Silber noch einmal vor den Demokraten geflüchtet werden.

Außer den schon erwähnten gesellschaftlichen Veranstaltungen gab es noch Freibier am Abend des Sebastianustages. Dieses Bruderbier oder Sebastianus"geloch" wird schon 1489 erwähnt. Seit 1650 wurde in Glehn und zwei verschiedenen Ortschaften außerhalb insgesamt für 6 Rt. Bier (= 3 Anker) verabreicht und aus der Kornrente bestritten. Vor dem Auseinandergehen gedachte man im Gebete der verstorbenen Brüder. Auch beim Vogelschuß gab es einen "Zech", den man aber 1899 abschaffte.

Welche Bedeutung hat die Sebastianusbruderschaft gehabt? Ihr gehörten ehemals sozusagen alle an vom Adligen bis zum Knechte, Beamte und Halfen, in Glehn u. a. die Herren von Schlickum, Lohausen, Schlendern. Der Vogt Budberg von Liedberg schenkte der Bruderschaft 1550 einen Garten an der Haag, Matheis Driesch, Rentmeister auf Fürth, gab an den Sebastianusaltar zwei kupferne Leuchter zur Ehre Gottes. Über die Mitgliederzahl hören wir erst 1654 genaueres. In diesem Jahre begleiteten 56 Brüder die Gottestracht. 1729 zählte man 150 Mitglieder, 1756: 200, 1857: 247, 1870: 200 (1865 waren die Liedberger ausgeschieden), 1914: 179. Ehemals beherrschten die Bruderschaften geradezu das öffentliche Leben. Mit dem Kirchmeister vertrat der Brudermeister die Gemeinde. In Büttgen, Schiefbahn, Kaarst und Kleinenbroich hatte die Sebastianusbruderschaft 1687 als Vertreterin ihrer Gemeinde einen besonderen Anteil am Büttgerwalde, nämlich das Recht, drei Pferde weiden zu lassen. Beizeiten überstieg der Einfluß der Bruderschaften wie auch der Zünfte in den Städten die Grenze des Erlaubten, so daß der Landesherr einschreiten mußte. Der Kurfürst von Köln bestimmte 1533: "Die alten Schützereien sollen keine der Obrigkeit zuständige Einrichtungen und Ordnungen machen."

Der ursprüngliche Zweck der Sebastianusbruderschaften als Wehrorganisation ist längst dahin, ihr Einfluß nicht mehr der frühere, aber geblieben sind sie Stätten echten alten Volkstums und sollten als solche gefördert und gepflegt werden.

Die silbernen Schilde der Sebastianusbruderschaft stammen aus der Zeit von 1699 – 1799. Sie tragen folgende Namen:

1699     Johannes Püllen
1700     Johannes Holthausen
1706     Johannes Mösgens
1707     Gerardus Püllen
1709     Wilhelmus Blomen G. S. C. B.
1711     Johannes Jennis, Pastor
1712     Gerardus Püllen
1719     R. M.
1722     Severius Beumen
1724     Severius Püllen
1724     Henrich Dreisch
1725     Heinderich van Roth
1726     Severin Gros
1727     Johannes Birkmann
1728     Wilhelmus Mösgens
1729     Jakobus Baumeister
1731     Henrikus Drost
1732     Friederikus Velder, Schützenkönig zu Glehn
1733     Theodorus Maassen, Emeritus Junggesell, jüngster Bruder S. Sebastiani zu Glehn
1734     Johannes Diedorius Velder
1742     Adolphus Strümpff
1742     Wilhelmus Krinst
1742     Albertus Baumeister
1746     Ludovikus Johannes Wilhelmus von Kalkum et Lohausen den 15. Mai
1750     Wilhelmus Püllen
1753     Adamus Kempermanns
1754     Johannes Kames
1755     Wilhelmus Schölen
1756     Christianus Lenders
1759     Andreas Jansen
1778     Henrikus Johannes Philippus Rath
1779     Henrikus Johannes Philippus Rath
1780     Henrikus Johannes Philippus Rath
1792     Johannes Schölen, Musikus und Schützenkönig in Glehn
1796     Wilhelmus Kames, König im zweiten Jahr, daß die Franzosen dies Land im Besitz haben, zu Glehn

 

Schützenkönige der St. Sebastianusbruderschaft

1855     Heinrich Böhmer, Glehn
1856     P. W. Müller, Steinhausen
1857     Kaspar Böcker, Scherfhausen
1858     Heinrich Vossen, Schlich
1859     Peter Rath, Glehn
1860     Heinrich Zimmermann, Epsendorf
1861     Josef Faßbender, Schlich
1862     Hubert Leßmann, Glehn
1863     Josef Grein, Glehn
1864     Anton Schnitzler, Scherfhausen
1865     Peter Erkes, Glehn
1866     Franz Sandkaulen, Glehn
1867     Josef Faßbender, Schlich
1868     Franz Josef Schnell, Rubbelrath
1869     Heinrich Josef Ohligs, Steinforth
1870     Christian Bolten, Glehn
1871     Gerhard Clemens, Glehn
1872     Anton Schnitzler, Scherfhausen
1873     Jakob Schlösser, Steinforth
1874     Theodor Bremer, Glehn
1875     Heinrich Becker, Glehn
1876     Theodor Drath, Rubbelrath
1877     Heinrich Becker, Glehn
1878     Heinrich Hannen, Epsendorf
1879     Josef Gisbertz, Glehn
1880     Johann Wilden, Steinforth
1881     Matthias Tillmann, Glehn
1882     Caspar Linden, Glehn
1883     Josef Drink, Glehn
1884     Peter Josef Stübben, Glehn
1885     Hubert Baumeister, Glehn
1886     Paul Bremer, Glehn
1887     Josef Pesch, Glehn
1888     Josef Kempermann, Glehn
1889     Theodor Köhlings, Glehn
1890     Gottfried Birkmann, Glehn
1891     Heinrich Tokloth, Scherfhausen
1892     Theodor Konrads, Glehn
1893     Hermann Drath, Rubbelrath
1894     Wilhelm Rath, Rubbelrath
1895     Hermann Stübben, Glehn
1896     Johann Böhmer, Glehn
1897     Theodor Hoff, Steinforth
1898     Wilhelm Hoffmann, Epsendorf
1899     Werner Meuser, Steinforth
1900     Hermann Drath, Rubbelrath
1901     Theodor Schmitz, Glehn
1902     Josef Mostert, Glehn
1903     Heinrich Bosch, Glehn
1904     Johann Esser, Rubbelrath
1905     Franz Schnitzler, Glehn
1906     Theodor Kames, Glehn
1907     Theodor Schmitz, Glehn
1908     Heinrich Lorenz, Glehn
1909     Heinrich Tokloth, Scherfhausen
1910     Heinrich Esser, Glehn
1911     Heinrich Erkes, Glehn
1912     Matthias Tokloth, Scherfhausen
1913     Peter Schiefer, Glehn
1914     Heinrich Stappen, Scherfhausen
1915     Wilhelm Drath, Steinforth
1916     Johann Rath, Schlich
1917     Johann Bihn, Rubbelrath
1918     Josef Grüßem, Epsendorf
1919     Peter Esser, Glehn
1920     Matthias Ferfers, Glehn
1921     Johann Gisbertz, Glehn
1922     Fritz Schönen, Steinforth
1923     Heinrich Frommen, Glehn
1924     Johann Gisbertz, Glehn
1925     Jakob Mörsch, Glehn
1926     Theodor Türk, Schlich
1927     Heinrich Körschgen, Glehn
1928     Heinrich Erkes
1929     Johann Bongartz, Steinforth

 

Abkürzungen:

A.     Albus
D.     Denar
F.     Fuß
Fa.     Faß
G.     Gulden
Gg.     Goldgulden
H.     Heller
M.     Morgen
Mk.     Mark
Ml.     Malter
P.     Pfund
Pf.     Pfennig
R.     Rute
Ra.     Raderalbus
Ro.     Reichsort
Rg.     Radergulden
Rh.     Raderheller
Rs.     Raderschilling
Rt.     Reichstaler
S.     Schilling oder Solidus
Stb.     Stüber
Sü.     Sümmer
Ta.     Taler
V.     Viertel